1. Adolf Hitler war lange Zeit unser Ehrenbürger 

 

Emden wurde, bis auf die Arbeiterviertel, schnell braun. Wie schnell und wie begeistert die Emder Bürger den Nationalsozialismus begrüßten und feierten, kann man Ausschnitten aus der damaligen "Emder Zeitung" in der Zeit zwischen 1.2.1933 und Anfang Mai 1933 entnehmen. Am Tag der Annahme des Ermächtigungsgesetzes meldete die Rhein-Ems-Zeitung (REZ) in der Rubrik "Emden und Umgegend" den Vollzug von Straßen-Umbenennungen und umfassenden Polizei-Maßnahmen. Häuser in der Kirchstraße wurden nach verbotenen Schriften durchsucht, eine Schreibmaschine wurde beschlagnahmt. "Alles verlief in voller Ordnung", hieß es. So schnell waren die Bürgerrechte in Emden außer Kraft gesetzt.

In Wilhelmshaven kündigte ein Nazibonze an, dass "auch im ostfriesischen Moore ein Konzentrationslager für Kommunisten errichtet werden würde". Es kam dann ins Emsland, ganz schnell.

All diese wichtigen Nachrichten standen nicht auf Seite 1, sondern weiter hinten, sozusagen in der Abteilung "aus Stadt und Land".

In den Geschichtsbüchern steht für den Beginn der Boykott-Aktionen der SA gegen jüdische Geschäfte der 1. April 1933 vermerkt.

Emden spielte hier eine wenig beachtete Vorreiter-Rolle im Reich. Schon am Nachmittag des 28. März war hier die SA im Einsatz, forderte die Arier zum Boykott auf und verlangte die Schließung der jüdischen Geschäfte. Nachts wurden dann die Schaufenster eingeworfen. Die Täter blieben unbekannt.

Wie man der Zeitung (REZ) entnehmen kann, gab es eine ganze Reihe von jüdischen Geschäfts-Inhabern.

Um "Führers Geburtstag", um den 20. April 1933, herum, kündigten an, meldeten, bejubelten die drei in der Stadt gelesenen Zeitungen: die Rhein-Ems-Zeitung. die Emder Zeitung und die (eindeutig nationalsozialistische) Ostfriesische Tageszeitung die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den Schmied der deutschen Nation Adolf Hitler.

Anläßlich der Ausstellung "Wille und Leistung Ostfrieslands" in der Herrentorschule Emden im Jahre 1939 präsentierte sich stolz die Stadt unter Nennung ihrer Ehrenbüger, darunter Adolf Hitler.

Auch dem NS-Gauleiter Weser-Ems Carl Röver wurde die Ehrenbürgerwürde der Stadt Emden übertragen (Ostfriesische Tageszeitung 2.8.1938, Bericht mit Foto, Oberbürgermeister Renken überreicht Röver die Ehrenbürgerurkunde). Sein Name ist ebenfalls auf der Ehrentafel der Stadt anläßlich der Ausstellung Wille und Leistung Ostfrieslands" in der Herrentorschule Emden verzeichnet.

 

 

 

Zum 50. Jahrestag der denkwürdigen Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den Führer mussten wir uns jedoch von unserer juristisch sehr versierten Stadtverwaltung belehren lassen, dass dieses Ereignis gar nicht stattgefunden hat. Die verblüffend einfache Begründung, die die hier vorgestellten Belege ins Reich der Phantasie oder gar der Halluzinationen verwies, lautete: "Es gibt über diesen Vorgang keine Unterlagen bei der Stadtverwaltung". "Quod non est in actis, non est in mundo", heißt ein alter lateinischer Spruch. "Was nicht in den Akten ist, ist auch nicht auf der Welt". Darauf muss man erst mal kommen!

Und als Hintertürchen, falls vielleicht doch: Das nationalsozialistische Regime war ein Unrechtsregime. Folglich waren die Rechtsakte von damals null und nichtig von Anfang an. Schade nur, dass das nicht auf alle Rechtsakte zutrifft. Davon können einige Gruppen von Verfolgten, wie zum Beispiel Zwangssterilisierte und Deserteure, ein trauriges Liedchen singen.

Diejenigen, die von der "Arisierung" profitierten, durften ihr so erworbenes Vermögen behalten und weitervererben, in Emden wie überall in Deutschland. Klagen von Juden auf Rückgabe ihres Eigentums wurden von Gerichten in der Bundesrepublik regelmäßig zurückgewiesen. Der "Verkauf" (für 'n Appel und 'n Ei) nach den Pressionen in der Nazizeit sei rechtens gewesen, hieß es.

Im übrigen erlischt die Ehrenbürgerwürde gemäß der Niedersächsischen Gemeindeordung mit dem Tod des Geehrten. Das hat einige Städte in Niedersachsen nicht davon abgehalten, nach dem Zweiten Weltkrieg Nazi-Größen die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.

 

Verglichen mit den Verbrechen, die in Emden verübt wurden, war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Führer eine Lappalie, wahrscheinlich nicht einmal strafbar.

Die Stadt Emden meinte jedenfalls, sie sei fein heraus, weil ihre Formaljuristen so mächtig schlau waren. In anderen Städten mussten die Stadtverordneten mühsam in einer Resolution Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen. In Emden war "juristisch einwandfrei" geklärt: Allem entgegenstehenden Anschein zum Trotz hatte er sie nie gehabt.

Hier hätte sich damals schon für den Rat der Stadt Emden die Chance geboten, vor dem Hintergrund einer neuerlichen neonazistischen Welle, die für Emden mit der Schändung des jüdischen Friedhofs am 17.6.1980 verbunden bleibt, ein deutliches antifaschistisches Zeichen zu setzen.

Das unterblieb. Statt dessen wurde aus der Frage der Ehrenbürgerschaft Hitlers eine Verwaltungssache und ein juristisches Detail gemacht, das dann nach langer Prüfung von den Experten erst einmal -negativ- entschieden wurde.

Im Jahr 2007, am 10. Mai, hat der Rat der Stadt Emden Adolf Hitler und Carl Röver endlich die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Zusätzlich zu den hier vorgelegten Nachweisen wurde zwar nicht die Urkunde selbst, sondern das Bürgervorsteher - Protokoll von der feierlichen Verleihungs-Sitzung gefunden, also endlich eine Akte.

 

2. 1940 haben wir dem Führer den Kupferturm des Chinesentempels zum Geburtstag geschenkt

 

"Da der Turm und das Dach des Säulenhäuschens mit Kupferplatten gedeckt sind, ist angeordnet worden, dieses wertvolle Metall der Führer-Geburtstagsspende des deutschen Volkes zuzuführen. Gestern ist die Arbeit begonnen worden, heute wird auch das Holzgerüst des Turmes abgebrochen und das Dach mit Dachpappe gedichtet. Das Säulenhäuschen ohne Turm muß einstweilen noch stehen bleiben, vielleicht ergibt sich später eine Möglichkeit, den Straßenzug einheitlich zu gestalten. Unser Bild zeigt das Säulenhäuschen kurz bevor der Turm abgebrochen wird und nachdem die Kupferplatten bereits entfernt sind."

Ostfriesische Tageszeitung 11.4.1940

"Ende der 80er Jahre erhielt der 'Chinesentempel' seinen Hut zurück, der bei einem Bombenangriff herunter gefallen war."

Emder Zeitung 14.8.2003

 

In der Stadt Emden gibt es die bequeme Angewohnheit, unliebsame oder ungeklärte Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg unter den alliierten Bombenteppich zu kehren. Diese Tradition begann vor über 50 Jahren mit Zeitungsberichten über den toten ehemaligen französischen Zwangsarbeiter Roger Beyssac.

 

"Emder Denkmäler entdecken"

So nennen sich die Hinweis-Schilder in der Nähe bekannter Bauten Emdens. Sie sind von Historikern des Ostfriesischen Landesmuseums entworfen, so auch das hier sichtbare Exemplar, das die Geschichte des "Chinesentempels" erklären soll.

Bei einer Tageszeitung mit ihrem Zeitdruck ist die Erfindung eines Bombenangriffs zur Erkärung des Verlustes des Spitzdachs des Bauwerks vielleicht noch zu erklären, wenn auch nicht unbedingt zu entschuldigen.

Aber leider pflanzte sich diese Zeitungsente fort: "Im 2.Weltkrieg wurde das Dach des Tempels zerstört und später leicht abgewandelt restauriert", schreiben die Historiker des Landesmuseums.

Auf meinen Anruf mit der Aufkärung über den tatsächlichen Abriss des Dachs für eine Spende an den Führer ist bisher nichts geschehen. Es ist immer noch der Krieg, der zur Zerstörung des Chinesentempels führte. Aber immerhin ist wenigstens nicht mehr ein (alliierter) Bombenangriff schuld.

Man darf darauf gespannt sein, ob der Text geändert wird, wenn ja, wann und wie die neue Fassung aussieht. Wird die treue Ergebenheit der Stadt Hitler gegenüber erkennbar werden oder wird die Änderung diese Tatsache verschleiern?

 

3. Wir wurden vom Führer im Berliner Sportpalast gelobt

Knapp zwei Jahre später, am Tag nach der weitgehenden Zerstörung Emdens, am 7.9.1944, hieß es dann:

"Trotz der Härte des Angriffs, der als das schwerste Unglück der tausend Jahre alten Stadt zu bezeichnen ist, muß die Haltung der Bevölkerung einfach als vorbildlich angesehen werden...

Ungeheuer schwer sind die Folgen eines ebenso sinnlosen wie brutalen Angriffs. Dennoch aber lassen sich die Emder sich nicht entmutigen, harren aus in Arbeit und Zuversicht und geben damit ein leuchtendes Beispiel des Opfermuts im Kampf um Großdeutschlands Zukunft."

 

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Zwangsarbeit in Emden

WIR sind hier die Opfer

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