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  Das Jahr 1933
 

 

März 33

Die erste große Verhaftungswelle der Faschisten gleich nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar ist über den KPD-Unterbezirk Emden/Ostfriesland hinweggerollt, viele Funktionäre und Mitglieder der Partei sind festgenommen oder verschleppt. Der Organisationsleiter der Partei, August Wagner, ist (scheinbar) auf der Flucht und außerhalb Emdens. Der politische Leiter des Unterbezirks, Ernst Radatz, ist in der Stadt selber abgetaucht, hat seine Wohnung aufgegeben und hält sich illegal bei zuverlässigen Genossen auf, die ihn beherbergen und versorgen. Die alten Strukturen sind nicht mehr benutzbar, und nicht wenige Genossen sind eingeschüchtert durch die Willkür und den Terror, der überall verbreitet wird. Es scheint, als hätten die neuen Machthaber der KPD einen vernichtenden Schlag versetzt.

2. von links: Radatz auf der "Dora Fritzen"

In Wahrheit sind bereits seit Anfang des Jahres im ganzen Reich Bestrebungen im Gange, die Organisation überall auf illegale Bedingungen umzustellen. Radatz hat zu diesem Zweck für jeden alten noch nicht entdeckten und für die neu eingesprungenen Funktionäre einen zusätzliche Ersatzleute bereitgestellt, die nur ihm bekannt sind. Im Augenblick sind seine engsten Mitarbeiter Martin Jürgens, Johann Janssen aus der Gottfried-Bueren-Straße (im Folgenden Janssen I), Johann Janssen, der am Wall wohnt (im Folgenden Janssen II) (Anmerkung: Diese Namensgleichheit und vor allem der häufige Umzug der Janssens hat zu einiger Verwirrung geführt, die Untersuchungsbeamten kamen in ihrem eigenen Chaos nicht mehr weiter, wie die folgende Passage belegt: "Bei den in den Vernehmungen genannten Johann Janssen Emden, Gottfried-Bühren-Str., Freiligrathstr. und Port Arthur handelt es sich um ein und dieselbe Person. Es ist dies der Beschuldigte Johann Janssen, wohnhaft in Emden, Gottfried-Bühren-Str. 89. Johann Janssen, Emden, Herrentor und Johann Janssen, Emden, Kalkwarf, ist ebenso ein und dieselbe Person...". Dabei sind noch nicht genannt die Emder Lüitjen Janssen oder Anna Janssen, geschweige von Janssen-Kruse aus Leer), sowie Johann Groothuis, der als einziger der Partei nicht angehört. Die anderen sind seit einigen Jahren Mitglieder der Organisation und bis auf den als Bäcker beim Konsumverein arbeitenden Janssen I arbeitslos. Mit diesem Führungspersonal trifft sich Radatz heimlich fast regelmässig einmal die Woche bei dem alten KPD-Mann Eduard Quante in dessen Wohnung in der Schnedermannstraße oder bei Berend Kruse, der zu dieser Zeit in der Kirchstraße lebt. Auch diese zwei sind arbeitslos.

Auf den Sitzungen werden die politische Lage und vor allem organisatorische Tagesfragen besprochen, z.B die wichtigen Probleme der Kassierung, denn alle Teilnehmer sind zugleich auch Unter- oder Stadtteilkassierer. Im Augenblick werden neue Beiträge festgesetzt: Arbeitslose sollen zehn Pfennige und Vollarbeiter vierzig Pfennig im Monat bezahlen. Augenblicklich werden die Beiträge ohne Markenausgabe abgerechnet, eine Erschwernis für den Kassierer, eine Absicherung dagegen für die zahlenden Genossen. Außerdem sollen Flugblätter hergestellt und verbreitet werden. Die Partei ist immer noch im Besitze versteckter Gerätschaften und Materialien. Radatz tut alles, damit diese Beschlüsse keine frommen Wünsche bleiben.

Trotz des erforderlichen Umbaus der Strukturen wird noch einiges beim Alten bleiben müssen, weil die Kraft der Partei im Moment nicht ausreicht, sich vollständig umzustellen. Emden ist weiterhin gegliedert in die Stadtteilorganisationen Ost, West und Nord, sowie Port Arthur und Transvaal, wobei zum letzteren der Bereich "Hochsee" gehört, das sind die genossen, die um Nesserland wohnen. Außerdem gibt es Gruppen in Friesland, Borssum, Hilmarssum und Larrelt. Weitere bedeutende KPD-Organisationen bestehen in Leer, Aurich, Norden und vor allem in Moordorf, die zum Unterzirk Emden gehören und von hier angeleitet werden. Die Nazis werden später für diese Zeit allein in der Hafenstadt noch etwa 90 aktive Parteianhänger zählen, davon ungefähr 10 Prozent Sympathisanten. Nur ein einziger wird namentlich bekannt, der sich aus der Parteiarbeit zurückzieht.

Und manch ein Genosse wird auch ohne jede Anleitung aktiv und handelt auf eigene Faust. Oder sagt später entsprechend aus: So sammelt Jan Engels im Emder Hafen Geld für die politischen Gefangenen. In Borssum tut Hilko Wallerstein ein Gleiches. Er setzt sich mit Genossen und Bekannten in Verbindung und versucht, regelmässig kleinere Beträge zusammenzutragen, die er sofort weitergibt an die Angehörigen der Verhafteten. Andere führen die von ihnen angeleiteten Wohnbereichs-, "RFB"- oder "Rote-Hilfe"-Gruppen kurzfristig ohne Kontakt und Unterstützung durch die Emder Zentrale weiter, die damit zutun hat, ihre Führung neu zu ordnen. Selbst die äußerst gefährdeten Quante und Groothuis gehen das Risiko ein, Broschüren der "Roten Hilfe" zu verkaufen. Das Resultat ist: Die Partei existiert, wenn sie auch den Kopf eingezogen hat und Viele glauben, was Johann Janssen I später während einer Vernehmung sagt, nämlich daß "...die KPD-Auflösung nur eine vorübergehende sei und befristet (wäre)."

April 33

Anfang April nun werden die Parteiaktionen konkreter. Der von der Bremer Bezirksleitung lange vorgegebene Umbau der Stadtteil- und Wohnbereichsgruppen in konspirative Fünfer-Einheiten wird in Angriff genommen. In der Wohnung Kruses wird die erste dieser neuen Kleingruppen gebildet, der der Nieter Siebold Swart, der Seemann Otto Müller und neben zwei nicht namentlich Genannten auch Kruse selbst als Kassierer angehört. Aber es scheint, als ob diese Gruppe fürs erste die Einzige bleibt, denn erst im Juni wird der Aufbau neuer Gruppen wieder fortgeführt. Wahrscheinlich verhindert die Anfangs noch übergroße Vorsicht und die damit verbundene Angst vor weiteren Verhaftungen eine zügige Umstellung der alten Organisation.

Trotzdem traut sich jetzt die Emder Parteileitung einen Schritt weiter. Zwar bestehen gute Kontakte nach ausserhalb, vor allem zur übergeordneten Bezirksleitung des Raumes Nord-West in Bremen und zu den bereits erwähnten ostfriesischen Städten und Orten. Aber im Rahmen des Neuaufbaus ist es aus Vorsichtsgründen unbedingt erforderlich, die alten Übermittlungswege und Verbindungen zu kappen und neue Anlaufpunkte und Adressen zu beschaffen.

Darüberhinaus haben die Verhaftungen in Leer die Partei augenscheinlich stärker getroffen als die Emder. Teile der aktiven Leitung unter dem Kaufmann Bartelt Janssen-Kruse und Arnold Terveer wurden bei dem Versuch, kurz vor den Märzwahlen noch Flugblätter zu verteilen, festgenommen. Radatz weiß das. Bei Berend Kruse wird deshalb anläßlich eines weiteren Treffens Johann Groothuis beauftragt, nach Leer zu fahren, um dort direkt einen bestimmten Parteigenossen mit Namen Strenge aufzusuchen. Groothuis ist dafür der richtige Mann, denn sein Bruder Paul lebt in Papenburg, der Schwager Buss in Leer und Vater Max Groothuis ist KPD-Ortsgruppenleiter in Völlenerfehn. Voraussetzungen also, den ganzen Bereich südlich von Emden zuverlässig und ohne Gefahr neu an den Unterbezirk anzubinden.

Radatz muß das Unternehmen gut vorbereitet haben, denn er gibt Groothuis für Strenge ein Codewort mit, "Leda", mit dem er bei dem Mann vorsprechen soll. Für Papenburg braucht der Kurier keine besonderen Hinweise, er bestellt Vater und Bruder einfach zum Schwager. Aus Quantes Keller, wo seit kurzem etliche Packen auf einem Abziehapparat selbst hergestellte Druckerzeugnisse eingelagert sind, soll er als Mitbringsel noch Flugblätter mitnehmen, die ihm in Kürze von Heinrich Lammers, Bauarbeiter und Parteimitglied, der bestimmte Kurierdienste für Radatz übernimmt, überbracht werden sollen.

Groothuis im Garten Schnedermannstraße

Einige Tage später fährt Groothuis wirklich los, in seinem Gepäck die Flugblätter und schriftliche Anweisungen von Radatz an die Partei in Leer. Er ist nun selbständiger Verbindungsmann sowie Kassierer der Leeraner Beiträge und der Lesegelder, die für Zeitungen und andere Materialien genommen werden.

Die Reise geht glatt. Groothuis trifft beim Schwager erwartungsgemäß Vater und Bruder, übergibt 50 Flugblätter zur Verteilung in den Heimatorten der Verwandten, trifft Strenge in dessen Wohnung, wird weitere 50 Flugblätter los und verabredet, ab jetzt alle vier bis fünf Wochen wiederzukommen. Damit sind Leer und Papenburg sicher an Emden angebunden und Groothuis atmet wahrscheinlich kräftig durch. Völlenerfehn dagegen entwickelt sich tragisch, Vater Max und die gesamte Ortsgruppe werden nur einige Tage nach dem Treffen verhaftet, ein Erfolg der Nazis, der glücklicherweise auf das Fehn beschränkt bleibt.

Mai 33

Im Mai deuten sich große Veränderungen für die Hafenstadt am Dollart an. Sie gehen aus von Bremen, wo nach gleichem Muster die aus Emden stammenden Kommunisten Adolf Lentze und Heinrich Werno versuchen, die verhaftete Bezirksleitung wieder aufzubauen.

Werno ist Anfang Mai mit seiner Frau in Norden eingetroffen. Beide wollen sich für etwa fünf Tage in der Stadt aufhalten. Sie wohnen bei dem Arbeiter Hermann Engelmann, den Werno im Winter 32/33 kennenlernte, als er versuchte, anstelle des verbotenen RFB einen "roten Massenschutz" zu organisieren.

Es liegt nahe -wenn auch in den Akten nicht erwähnt-, daß Radatz zu einem Treffen in Norden gewesen ist. Die weiteren Ereignisse lassen jedenfalls annehmen, daß bei einem solchen -wahrscheinlichen - Besuch auch die Lage und das weitere Vorgehen in Emden angesprochen wurde. Radatz wird jedenfalls für die illegale KPD in der Stadt immer mehr zu einem Sicherheitsrisiko, er ist zu bekannt, es ist nur eine Frage der Zeit, wann er von der Polizei gefaßt wird.

Sehr wahrscheinlich erhält er deshalb den Auftrag, nach Bremen zu gehen. Für einen arbeitslosen Seemann kein ungewöhnlicher Schritt. (Radatz gibt nach seiner ersten Verhaftung dann auch an, er wäre nach Bremen gekommen, um zur See zu gehen, um wieder "...etwas Zeug zum Anziehen (zu) bekommen...") Es ist aber auch möglich, daß diese Entscheidung Radatz´ Teil einer großen Personalrotation ist, zu der unter Umständen auch August Wagner gehört. Es scheint ein Versuch der Parteileitung gewesen zu sein, die gut geschulten Kader in andere, entferntere Orte umzusetzen, sie damit zu schützen und gleichzeitig wieder einzusetzen. Denn als August Wagner Ende Juli gefaßt wird, ist er möglicherweise doch nicht so zufällig in Rüstringen, wie die Nazis annehmen.

Wagner war Ende der zwanziger Jahre für einige Zeit als Literaturobmann in Bremen tätig und dürfte dort viele, später nützliche Bekanntschaften gemacht haben. Jedenfalls: wenn Radatz in Norden war und einen neuen Einsatzort erhielt, so hat er dafür gesorgt, daß schon bald ein erfahrener Ersatzmann von Bremen aus geschickt wird.

Als Interims-Parteileiter soll Willi Berg, ein Unterkassierer des Stadtteils West, eingesetzt werden. Berg ist seit 1928 Mitglied der Partei und hat sich auch schon kräftig für sie eingesetzt, als er im April 1932 während einer vor dem Emder Wohlfahrtsamt durchgeführten Demonstration einen Polizisten tätlich angriff und dafür zwei Wochen sitzen mußte. Darüberhinaus war er kommunistisches Mitglied im Gemeinderat und außerdem noch Korrespondent der "Bremer Arbeiterzeitung".

Warum Berg allerdings nicht ebenso bekannt und gefährdet ist wie Radatz, bleibt unklar. Wahrscheinlich deshalb aber gelingt es Radatz nicht auf Anhieb, Berg für eine verstärkte Parteiarbeit zu begeistern. Er braucht anschliessend drei volle drei Tage, während der er sich in Bergs Wohnung versteckt hält, um seinen Genossen zu überzeugen. Als dieser sich schließlich bereit erklärt, gibt es noch ein kleines Problem zu bewältigen: Berg ist pleite, er hat schon seit einiger Zeit die Mitgliedsbeiträge nicht mehr bezahlen könne. Radatz muß mit ganzen zwei Mark aushelfen. Bergs Auftrag heißt nun schlicht, den Wiederaufbau der illegalen KPD weiter zu organisieren, bis aus Bremen Entsatz kommt.

Aber wie problematisch die politische Arbeit selbst innerhalb der Kleinstadt Emden ist, macht der Umstand deutlich, daß Berg nicht etwa einfach ihm vertraute Parteigenossen aufsucht, um seine alten Kumpel wieder in die Organisation zurück zu führen. Im Gegenteil erhält er von Radatz eine Anlaufstelle genannt, die ihm eigentlich bekannt gewesen sein müßte: nämlich die schon erwähnte Wohnung des Berend Kruse in der Kirchstraße. Dort würde ihm weitergeholfen. Unter Umständen ist es aus Geheimhaltungsgründen bewußt so gehalten, daß sich die einzelnen untereinander weniger gut bekannten Parteimitglieder politisch mit äusserster Vorsicht begegnen. Wer weiß schon, wie weit die Integrität des anderen geht. Selbst im ganzen Unterbezirk ist es so, daß einzelne Gruppen und auch Organisationen der KPD ohne Wissen um die weitere Tätigkeit der anderen den Widerstand aufbauen. Eine der ersten Amtshandlungen Bergs ist jedoch die Einsetzung des Seemannes Willi Jentzsch an seiner statt als Unterkassierer für die drei oder vier Genossen, die er bis jetzt selbst kassiert hat. Damit hat er von dieser Seite den Rücken frei, und nur wenige Tage nach seinem Treffen mit Radatz spricht Berg als erstes mit dem arbeitslosen Maurer Fritz Piehn.

Piehn führt in Emden den seit langem illegalen RFB an. Er war als Soldatenrat einer der Männer der ersten Stunde und hatte ursprünglich den Auftrag, mit seinem Verband in Wehrmacht und Polizei einzusickern. Mit Berg muß er ziemlich vertraut sein, denn er erzählte ihm Anfang der dreißiger Jahre von Waffen, die damals in seiner Wohnung lagerten. Solch gefährliche Umstände vertraut man nur wirklich gut bekannten und zuverlässigen Genossen an. Trotzdem haben beide zunächst keine genaue Vorstellung von der illegalen Tätigkeit des anderen (und so soll es ja auch sein), denn Piehn versucht seinerseits, Berg für die RFB- Organisation einzuspannen.

Und Berg geht - seines eigenen Auftrags gedenkend, anleitend tätig zu sein- darauf ein. Beide verabreden ein Treffen in der Wohnung von Bergs Schwiegervater Munderloh.

Etwa zur gleichen Zeit meldet sich Berg auch bei Berend Kruse. Es scheint aber, als hätte Kruse keine große Lust, den Genossen zu unterstützen. Eigentlich wimmelt er ihn ab, indem er lediglich eine Liste mit 18 Namen von für eine Mitarbeit infrage kommenden Personen weitergibt. Es sieht so aus, als wolle sich Kruse langsam aus der Parteiarbeit zurückziehen.

Ende Mai kommen Berg und Piehn wirklich bei Munderloh zusammen. Mit dabei ist auch Berend Hündling, ein weiterer Mann des RFB. Wahrscheinlich aus taktischen Gründen und um Beobachter auszuschalten wechseln die drei schon bald in Piehns Wohnung, wo sie ungestörter sind. Als Ergebnis haben sie am Ende ihrer Sitzung ein Flugblatt verfaßt, das sich in bissiger Form mit der neuen Stadtverwaltung und insbesondere auch mit dem Kreisleiter der NSDAP befasst. Hündling redigiert dieses Flugblatt noch etwas und gibt es dann in die Vervielfältigung.

Das Treffen dürfte ein Risiko gewesen sein, denn die politische Polizei schläft nicht, wie die plötzliche Verhaftung von Jan Engels am 24.5. zeigt, dem seine Geldsammlungen im Emder Hafen zum Verhängnis werden. Das Amtsgericht verurteilt ihn deshalb schon bald zu einem Monat Gefängnis. Daß diese Strafe bereits durch die U-Haft verbüßt ist, nützt ihm nichts, denn er wird gleich anschließend zur sogenannten "Schutzhaft" in ein KZ-Lager eingewiesen und bleibt dort bis Ende September33.

Juni 33

Anfang Juni ist endlich der neue Instrukteur da, der den mittlerweile nach Bremen gefahrenen Radatz ersetzen soll. An einem Abend trifft er in Emden ein. Er heiß Jakob Pfarr und kommt eigentlich aus Vegesack, wo er schon eine verdeckte Parteigruppe aufgebaut hat. Auch er hat ein Stichwort erhalten, sehr wahrscheinlich von Radatz persönlich, mit dem er sich nun an einer ausgemachten Stelle am Stadtwall einfindet. Ein unbekannter Helfer holt ihn schließlich dort ab und bringt ihn in eine vorbereitete Unterkunft bei der Witwe Bernd, die nicht weit entfernt am Wall wohnt. Der Unbekannte könnte der Genosse Siemering gewesen sein, denn am nächsten Tag klingelt die kleine Tochter Siemerings an Johann Janssens (I) Wohnungstür und bittet Janssen, doch herüberzukommen zu ihrem Vater. Siemering hat Besuch von einem Mann, den Janssen nicht kennt und der ihm als "einer von uns aus Oldenburg" vorgestellt wird, mit Namen Karl, Karl Naumann. Karl hätte bis jetzt bei der Witwe Bernd gewohnt, aber da könne er nicht bleiben, ob Janssen ihn nicht für zwei Tage aufnehmen wolle. Doch Janssen ist sicher, daß seine Frau wohl dagegen sein würde und macht deshalb den Vorschlag, einmal bei Körber nachzufragen, denn dessen Frau sei verreist. So zieht Pfarr für die nächsten acht Tage bei dem Bäcker Wilhelm Körber ein. Der ist -wie so viele- arbeitslos und hat Zeit, wenn er auch kein eingetragenes Parteimitglied ist.

Pfarr wird in den nächsten vier Monaten noch öfter den Aufenthalt wechseln, ist aber fürs erste gut untergebracht, und vielleicht war das alles ja auch genauso geplant. Jedenfalls kann er nun mit Energie an die Aufgabe gehen, die Partei für die kommenden schweren Zeiten fit zu machen. Die Emder sind schon vorbereitet und haben gleich für den nächsten Tag eine Zusammenkunft der wichtigsten noch arbeitenden Funktionäre organisiert, damit man sich gegenseitig kennenlernen kann.

Es gibt offenbar für ein solch hochkarätiges Treffen keinen sicheren Platz mehr in der Stadt selbst. Ein Roggenfeld nahe dem Hafen am Deich bei Larrelt ist der Ort, an dem sich nun alle nach und nach einfinden:

Da kommen der provisorische Leiter Berg vom Stadtteil West, und Kittner, der Friesland vertritt; Berend Hündling wohl als Vertreter des RFB; Peter Bakker von Port Arthur und andere, deren Namen nicht überliefert sind.

Aber wahrscheinlich hat jede Gruppe einen Vertreter geschickt. Die Ergebnisse dieser Versammlung sind auch nur unvollständig bekannt. Eine erste Handlung Pfarrs ist, daß er Berend Hündling als neuen politischen Leiter in Emden einsetzt. Als ein von Bremen zentral in dieses Amt berufener Instrukteur ist er dazu fast diktatorisch in der Lage. Über diese erste Amtshandlung hinaus werden nur allgemeine Aufforderungen ausgegeben, nämlich die Partei neu aufzubauen, weiter zu kassieren und im übrigen die Arbeit zu verstärken. Den eigentlichen Hauptgrund der Sitzung wird Pfarr jedoch erreicht haben: Erste Kontakte zu den Gruppenleitern und damit zu den Gruppen selbst. Man hat sich beschnüffelt.

Das weitere Vorgehen überläßt Pfarr zunächst Hündling, der sich selbst seine Mitarbeiter aussucht. Nur wenige Tage später hat der neue poilitische Leiter bereits eine Zusammenkunft des Stadtteils Nord bei Brandes organisiert.

Die Wohnung von Johann Brandes und seiner Frau Johanna ist in den letzten Wochen zu einer bislang von den Nazis unentdeckten Drehscheibe für verbotene Materialien und einem sicheren Sitzungsort geworden. Der Mann ist seit einiger Zeit aufgrund einer Kriegsverletzung nicht mehr in der Lage, zu arbeiten und wartet auf die Bewilligung einer Kriegerrente. Er ist erst vor gut einem Jahr in die Partei eingetreten. Bei seiner Frau haben die Ereignisse während der Machtübernahme eine Politisierung bewirkt, sie wird zwar keine Genossin, beteiligt sich aber entschieden an der Parteiarbeit. Es gibt im Norden noch eine zweite Wohnung, die ähnlich sicher ist und auch gerne genutzt wird: die von Eduard Quante. Beide Wohnung sind übrigens nicht weit voneinander entfernt in der Schnedermannstraße. Aber Hündling hat diesmal für Brandes entschieden.

Eduard Quante und Familie

Als Pfarr von Körber begleitet in der Wohnung eintrifft, sind alle - bis auf Jungenkrüger (Jungenkrüger ist der "einzige" genannte Genosse, der sich mit der Machtübernahme von der Partei löste) - anwesend: Quante und Brandes natürlich, Heinrich Lammers, Johann Janssen I, Siemering, Groothuis und Frau Alice Byrds (Es ist nicht eindeutig zu klären, ob Josefine Birth mit Alice Byrds gleichzusetzten ist. Manche der Vernommenen haben die Namen anderer oft - und vielleicht auch mit Absicht - nicht korrekt wiedergegeben. Die Namensähnlichkeit, beider Zugehörigkeit zum Stadtteil Nord legt eigentlich nahe, die Personen könnten identisch sein). Körber stellt Pfarr als "Karl" vor. Dieser begrüßt alle mit einem "Heil Moskau" und erhält wahrscheinlich Beifall. Das folgende Referat wird trockener gewesen sein und beschäftigt sich naturgemäß mit dem Themenkreis Faschismus/Kommunismus. Allerdings ist diese Zeit noch geprägt von der Konkurrenz mit den Sozialdemokraten, und so legt Pfarr einen Schwerpunkt in seinen Ausführungen auf das Verhältnis zur SPD, der er vorwirft, sie hätte Hitler zur Macht verholfen und bemüht das Klischee von den Sozialfaschisten.

Nach dem Vortrag aber kommt die wichtige Neuaufteilung der Stadtteilgruppen in die schon bekannten Fünfereinheiten und deren Funktionieren unter den Bedingungen der Illegalität. Alle werden unterwiesen, wie sie mit Materialien umzugehen hätten und wie sie sich in Zukunft untereinander verhalten sollten. Zwei Gruppen werden gleich gebildet, die erste unter Lammers als Organisator und Janssen (I) als Kassierer, die zweite mit Quante und Körber in entsprechenden Funktionen. Bevor jedoch Körber in seinen Kassiererposten offiziell eingesetzt wird, nimmt Groothuis ihn per Handschlag in die Partei auf. Er muß feierlich versprechen, immer treu zur Sache zu halten, woraufhin ihm mitgeteilt wird, er gehöre nun auch dazu. Der weitere Verlauf des Abends sieht noch die Herabsetzung der Beiträge für Vollarbeiter auf 25 Pfennige und im übrigen ergeht der Beschluß, daß sich die neuen Gruppen ab nun regelmäßig einmal die Woche im Wechsel bei Brandes und Quante treffen. Hierzu will Pfarr Schulungen abhalten und weitere Anweisungen geben. Und von nun an geht es mit großen Schritten vorwärts, wenn auch die Rückschläge nicht ausbleiben, wie noch zu zeigen ist.

Der Stadtteil West ist der nächste, der zusammengerufen wird. Aber vorher muß Pfarr noch eine andere Sache regeln, die wahrscheinlich schon in Bremen vorbereitet wurde. Denn neben der KPD, dem RFB und der Roten-Hilfe (als den wichtigsten Unterorganisationen der KPD), deren Rekonstruktion, bezw. Weiterführung wohl Fortschritte macht, liegt der Leitung in Bremen noch ein weiterer Verband am Herzen. In der Hafenstadt soll der überaus wichtige "Einheitsverband der Seeleute und Transportarbeiter" (im Folgenden nur noch "Einheitsverband" genannt) neu in die Parteiarbeit eingebunden werden. Pfarr erwartet deshalb für die kommenden Tage einen Spezialinstrukteur. Aber bis der da ist, müssen verschiedene Dinge geregelt sein, um keinen Leerlauf zu haben. Ein soeben aus Amerika zurückgekehrter Seemann und Genosse namens Grünfeld soll die notwendigen Kontakte zu anderen gleich gesonnenen Seeleuten und Hafenarbeitern herstellen. Da aber Pfarr den Ulrich Grünfeld mit großer Sicherheit nicht persönlich kennt, ahnt man die Hand Radatz´, der wohl auch hier im Hintergrund die Fäden gesponnen hat.

Jedenfalls treffen Grünfeld und Pfarr zu einer bestimmten Zeit am Emder Kriegerdenkmal zusammen. Der Seemann übernimmt den Auftrag und organisiert zusammen mit den ebenfalls zur See Fahrenden Johann Steffen und Otto Müller die Vorbereitungen für eine Versammlung mit dem Spezial-Instrukteur. Zusätzlich bewegt er sie, innerhalb der Stadtteilgruppe West eine Kleingruppe zu bilden, zu der auch Heinrich Martschinke und Erich Simon gehören sollen. Nebenbei bringt Grünfeld noch den Funktionär Kruse mit Pfarr zusammen.

Damit ist Pfarr fast komplett und der Termin mit "West" kann stattfinden. Wieder sind es die privaten Räume eines Genossen, wo man sich trifft - aber manchmal schrammt die Parteileitung nur knapp an einer Katastrophe vorbei. Davon wird noch zu reden sein.

An diesem Abend jedenfalls wird Pfarr von Gässler bei Körber abgeholt und in die Wohnung von Swart geführt, wo bereits Grünfeld und Berg warten. Pfarr hält zunächst seinen Vortrag, wie weiter gearbeitet werden soll und setzt dann Berg als neuen Stadtteilleiter ein. Swart soll der Oberkassierer werden, an den die Fünfergruppen-Kassierer ihre eingesammelten Gelder weitergeben. Den eigentliche Umbau in die neuen Kleinzellen überläßt Pfarr jedoch bereits Berg. Er beginnt, die Arbeit zu delegieren.

Weiterhin wird noch beschlossen, und das ist ein Zeichen des langsamen Erstarkens der Partei, sich besser um das Umland und die Dörfer zu kümmern. Deshalb wird dem Stadtteil West das Gebiet um Loppersum zugewiesen und damit die Einbeziehung der dort lebenden Genossen in die Arbeit. Als Verbindungsmann wird Martschinke bestimmt.

Pfarr ist wohl beeindruckt von den Leistungen Grünfelds, denn der Instrukteur setzt kurzerhand seinerseits den Emder als Instrukteur ein. Grünfeld soll sich fortan nur noch um den Einheitsverband kümmern.

Als nächstes vordringliches Problem Pfarrs ist das des Hauptkassierers zu lösen. Es gibt nämlich noch keinen unverdächtigen Neuen. Entgegen den klaren Anweisungen aus Bremen versucht Pfarr den alten Kassenchef Jürgens zum Weitermachen zu bewegen. Darauf kann sich der immer mehr gefährdete Altkommunist nicht einlassen. Er nennt eine Alternative: Da ist doch noch der unterbeschäftigte Johann Janssen (II), mit dem sich Jürgens und Pfarr schließlich am Hindenburgplatz treffen. Der Ort ist schlecht gewählt, der Verkehr zu stark, um hier in aller Öffentlichkeit die Kassenprobleme einer verbotenen Partei zu lösen. Also gehen die drei einen Spaziergang machen zum Schwanenteich, und als sie dort ankommen, ist Janssen bereit, Hauptkassierer für den Unterbezirk zu werden. Pfarr kann zufrieden sein, wenn es ihm auch nicht gelingt, Jürgens wenigstens noch zu einer Überwachung des Aufbaus neuer Kassierergruppen zu bringen. Jürgens lehnt auch das ab.

Janssen holt schon am nächsten Tag den Kassenbestand, das Buch und die übrigen Materialien von dem gewesenen Hauptkassierer ab - und der wird froh sein. Denn alle Ausgaben und Einnahmen, die Beitragszahlungen, die Unterstützungen für Funktionäre: für jeden Vorgang gibt es eine Eintragung und eine Quittung. Diese Buch ist wie eine Bombe, die jederzeit hochgehen kann. Pfarr und Janssen ist das schnell klar und der neue Kassenchef stellt alles um auf eine "buchlose Buchführung", die nur in seinem Kopf stattfindet. Die Marken und alles Schriftliche werden sofort vernichtet. Inkonsequenterweise wird aber Pfarr weiterhin nur mit Auszahlungsquittungen versorgt.

Der Wirkungskreis des Intrukteurs hat sich schnell in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit vergrößert. Maschinski, wie Berg respektlos Heinrich Martschinke nennt, schickt er mit Anweisungen nach Loppersum. Von Werno weiß er aber auch, wer in Norden und Umgebung ansprechbar ist, ihm fehlt aber ein geeigneter Kurier. Von Kruse wird nun Willi Jentzsch ins Spiel gebracht.

Wie so viele ist auch Jentzsch ein Seemann und zur Zeit ohne Arbeit an Land. Er ist seit zwei Jahren Mitglied der Partei, aber schon länger im Einheitsverband tätig. Das ist natürlich günstig für Pfarr. Er trifft sich mit Jentzsch in den Wallanlagen, die immer wieder gerne als konspiratives Parteibüro genutzt werden, und weist ihn in seine Aufgaben ein. Jentzsch soll nicht nur die Kontakte nach Norden und Leer pflegen und Groothuis entlasten, sondern auch innerhalb Emdens als Kurier zwischen den bestehenden Kleingruppen dienen.

Pfarr, der inzwischen seine Wohnung gewechselt hat und bei Groothuis eingezogen ist, setzt alle seine Anordnungen schriftlich (!) auf. In der Stadt ist die Überbringung der Botschaften einfach, wenn auch nicht ohne Risiko, obwohl Jentzsch ein "Beachcomer" (Zugereister) ist. Das mag in diesem Fall sogar ein Vorteil sein, denn er wird von viel weniger Menschen mit Namen erkannt werden, als ein Eingeborener. Für die relativ langen Strecken nach Norden und Leer läßt Pfarr dem Seemann geeignete Genossen auf halbem Wege entgegen kommen und mit dem Kurier zusammentreffen. Wer sich wo mit wem genau trifft, bleibt Pfarrs Geheimnis. Alles läuft streng konspirativ ab.

Der Stadtteil Ost hat andere Probleme, er hat keinen Ort, wo sich die Parteimitglieder sicher treffen können. Das hängt vielleicht mit der sozialen Zusammensetzung dieses Wohnbereichs zusammen. Port Arthur und Transvaal sind klassische Arbeiterviertel, auch im Norden gibt es noch einige Ecken, wo viele Antifaschisten wohnen, dazu gehört auch die Schnedermannstraße. Und die Westgruppe hat ihren Treffpunkt bei Swart und Kruse gefunden, aber Barenburg, wie das östliche Stadtgebiet auch genannt wird, ist eher kleinbürgerlich geprägt. Der neue Hauptkassierer, der selbst auch in diesem Bereich organisiert ist, weiß eine Lösung: Die Wohnung Brandes. Es ist kaum vorstellbar, daß eine private Wohnung, von jedermann fast jederzeit gut beobachtbar, der zentrale Ort geheimer Tätigkeiten einer Verfolgten Gemeinschaft sein kann. Dennoch trifft sich die Gruppe Barenburg, geführt von Janssen (II) bei Brandes. Während zweier kurz aufeinander folgenden Sitzungen werden die notwendigen Umstrukturierungen vorgenommen. Ob für die Zukunft ein neuer Tagungsort in Aussicht steht, bleibt unklar.

Pfarr zieht jetzt die Leiter der Stadtteile, die an der Spitze der Zellenhierarchie stehen, bei Kruse zusammen und berät das Weitere. Die eigentliche Routinearbeit geht nun an diese Leiter über, während Pfarr eher zurückgezogen im Hintergrund wirkt und kontrolliert. Berg zum Beispiel hält ab jetzt selbständig mit den Köpfen seiner Zellen Treffen ab, wieder bei Swart.

Auch der Neuaufbau des Einheitsverbandes kommt in den Junitagen ins Rollen. Wahrscheinlich Grünfeld hat Emil Winkels reaktiviert (Noch ein Wort zum Organisationsgrad. Es ist aus den Akten selten ersichtlich, wer von den Partei- und auch Unterorganisationsmitgliedern selbst während der kritischen Zeit Februar/März 33 durcharbeitet, wer sich vorübergehend zurückgezogen hat oder wer wann schließlich ganz aufhört. Genossen, von denen die Nazis annahmen, sie hätten zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Tätigkeit eingestellt, z.B. das Kassieren, mögen durchaus weitergemacht haben. Andere, die unvermittelt neu oder wieder auftauchen, können verhaftet oder verschleppt gewesen sein und waren deshalb vorübergehend nicht dabei), der vor der Machtübernahme der Hauptkassierer des Einheitsverbandes war. Parallel versammelt Winkels die Bekannten Otto Müller, Johann Steffens und vermutlich noch andere, die nicht bekannt werden.

Die von Winkels aktuell gestellte Aufgabe ist, weitere ehemalige Mitglieder des Verbandes anzusprechen und möglichst zu Schiffsgruppen zusammen zu fassen. Die allgegenwärtigen Mängel und Fehler auf den Schiffen sollten die Unzufriedenheit unter den Besatzungsmitgliedern erregen und über diesen Hebel zur Zusammenarbeit mit in anderen ausländischen Hafenstädten bestehenden sogenannten "Interclubs" führen. Winkels erhofft sich weiterhin die Einfuhr von Schriftgut und Kontakte zu Auslandsorganisationen der KPD. Zu diesem Zweck versucht er auch Jentzsch einzuspannen. Zuerst aber braucht Winkels eine Deckadresse, über die er persönlich Kontakt zu Bremen halten kann. Swart besorgt ihm die Anschrift von Frisinga (Frisinga ist irgendwann zwischen 35 und 37 verstorben, warum und woran ist unbekannt), der mit der Benutzung seines Namens einverstanden ist und über dessen Briefkasten nun verschiedene Materialien und Anweisungen zum weiteren Vorgehen für Winkels nach Emden kommen.

Da geschieht es wie ein Schlag aus heiterem Himmel, daß plötzlich Ende Juni mehrere Genossen zur gleichen Zeit "hochgehen". Es gibt Vermutungen, daß dieser Erfolg der Nazipolizei eine direkte Folge jenes Flugblattes ist, das Piehn, Hündling und Berg vor nicht allzulanger Zeit verfaßt haben.

Jedenfalls werden neben Swart, Hündling und Frisinga noch fünf oder sechs weitere Kommunisten verhaftet. Ein Schlag, der sich gegen die Partei richten soll, aber weit größere Auswirkungen auf den Werden begriffenen Einheitsverband hat. Otto Müller, der ebenfalls um seine Sicherheit fürchtet, flieht zu Bekannten nach Suurhusen, einen Tag später trifft auch Johann Steffen dort ein, man ist wohl bei Gleichgesinnten. Beide besprechen die Lage, kommen aber zu unterschiedlichen Schlüssen. Während Müller einige Tage darauf nach Holland über die Grenze geht, kehrt Steffen nach Emden zurück, vielleicht in dem Glauben, die Lage hätte sich wieder beruhigt. Ein Trugschluß, denn kaum angekommen, wird er auch schon festgenommen.

Es wird aber deutlich, wie knapp die ganze Führungsspitze an einem ähnlichen Schicksal vorbeigegangen ist. Ob Swarts Wohnung vorher beobachtet worden ist, kann nicht geklärt werden, dennoch muß Pfarr erkennen, daß im Grunde noch nicht mit der nötigen Vorsicht vorgegangen wird. Zudem bringt eine weitere Verhaftung Gefahr, die allerdings nicht in Emden, sondern in Bremen erfolgte: am 30. Juni wird Radatz in der Hansestadt gefaßt. Wenn auch das Geschehen in Emden nicht mit dem in Bremen zusammenhängt, führt Pfarr trotzdem die verunsicherten Genossen unter freiem Himmel an der Kesselschleuse zusammen (In diesem Fall gibt es ein echtes Problem für den Ablauf. Die Aussagen der beteiligten Menschen widersprechen sich. Mal fand die Zusammenkunft an der Kesselschleuse gleich nach dem Treffen im Roggenfeld in den ersten Tagen statt. Andere setzen es weit später an. Ich habe mich gefragt, warum Pfarr nicht die bestehenden Treffpunkte, wie Brandes, Kruse oder andere nicht nutzte, sondern unter offenem Himmel eine Versammlung abhielt. Ich sehe eine Verbindung zu den Verhaftungen und habe das Geschehen deshalb danach angesetzt. Ist noch zu prüfen).

Was dann genau dort besprochen wird, ist unbekannt. Piehn ist jedenfalls dabei und Peter Bakker, der allerdings zu spät kommt und im Anschluß von den anderen unterrichtet werden muß. Man kann aber sicher davon ausgehen, daß die neue Entwicklung in Emden und Planungen für die Zukunft die tragende Rolle gespielt haben.

Juli/August 33

So beginnt der Juli, und im Grunde bleibt die Emder Parteiorganisation unbeeindruckt. Es wird nur weniger bekannt von ihren Aktivitäten. Die regelmäßige Treffen Woche für Woche werden wieder aufgenommen, wie im "Bonzenviertel" bei Brandes und Quante, wo sich jetzt auch regelmäßig die Ehefrauen der Genossen treffen, so in den anderen teilen der Stadt. In Larrelt beispielsweise ist seit über zwei Jahren Hillrich Bokker kontinuierlich aktiv. Er kassiert wie immer seine Kameraden ab, oder läßt auch wohl kassieren durch Jähn und Hieronimus. Er tut das als Kaninchenzüchter unter Kaninchenzüchtern, eine sehr gute Tarnung. Für den Hauptkassierer Janssen ergibt sich aus der relativen Randlage von Borssum, Hilmarssum, Larrelt und auch Friesland ein Problem mit der Einsammlung der Gelder. Er ist deshalb hocherfreut, als sich der langjährige und damit erwiesenermaßen zuverlässige Genosse Wilhelm Strauß von sich aus bereit erklärt, die Beiträge für ihn zusammenzubringen. Janssen organisiert die Übergabe so, daß Strauß das Geld von Borssum an der Brücke in der Eichstraße, die Beiträge von Friesland direkt bei Kittner und in Larrelt bei Bokker abholen kann. Manchmal hat Strauß Schwierigkeiten mit Borssum, aber im allgemeinen gelingt die Übergabe der Summen glatt und Strauß trifft sich anschließend mit einem Unbekannten Ecke Schnedermann-/Singerstraße, wo ihm das Geld wieder abgenommen wird.

Und es geht voran: Immer mehr Genossen wollen freiwillig ihre Mitarbeit verstärken und bieten sich an. Albert Histermann fragt bei Peter Bakker, dem Kassiererchef von Port Arthur nach, ob er nicht Mitglied der illegalen Organisation werden könne. Bakker ist bestimmt so vorsichtig, zunächst mit anderen Genossen darüber zu beraten, doch kurze Zeit später ist Histermann registriert und gleich als Unterkassierer tätig. Bakker hat darüberhinaus gute Beziehungen zu Karl Wagner, einem Bruder von August, der auf Port Arthur einen Kolonialwarenladen besitzt. Karl war vor der Machtergreifung ein bekanntes und geachtetes Mitglied des Emder Magistrats und lange Zeit auch Unterbezirksvorsitzender.

Es gibt auch sonst noch Positives im Juli zu berichten. Grünfeld ist wieder auf See und damit den Nazihäschern fürs erste entkommen und Fritz Piehn erhält nach fast 15 Jahren der Arbeitslosigkeit wieder einen festen Job.

In dieser Zeit nimmt Pfarr endlich auch Beziehungen mit Aurich und Moordorf auf. Zusammen mit Janssen (I) trifft er sich mit etwa zehn Vertretern der Ortsgruppen am Ems-Jade-Kanal in Aurich. Pfarr erfährt (wenn er es nicht schon wußte), daß sich in Moordorf der Bezirksleiter Nordwest des illegalen "Rotfront-Kämpfer-Bundes" versteckt hält, ein Mann, nach dem die Faschisten seit Wochen reichsweit intensiv fahnden. Und ein Bonbon haben die Moordorfer noch in Aussicht. Es ist ihnen gelungen, einen bei der "Ostfriesischen Tageszeitung / OTZ" beschäftigten Drucker anzuwerden. Mit dessen Hilfe sollen schon bald die Rotationspressen dieses Blattes für die Kommunisten arbeiten...

Der Kontakt mit dem südlichen Ostfriesland ist dagegen wieder abgebrochen, weil Strenge auswärts Arbeit gefunden hat. Pfarr reagiert sofort und schickt den bewährten Groothuis nach Leer. Der trifft Strenge schon nicht mehr an, und sein Schwager Buss nützt ihm in dieser Sache nichts, denn der hat keine Kontakte in Leer. Groothuis muß unverrichteter Dinge wieder zurückkehren.

September 33

Der September bringt neue Aktivitäten. In Emden ist immer mehr antifaschistischer Lesestoff in Umlauf und einige Funktionärsstellen werden umbesetzt. Das hängt ohne Zweifel mit einem weiteren Besuch der Wernos in Norden zusammen. Zunächst trifft Frau Werno bei Engelmann ein, als Quartiermeisterin für ihren Mann sozusagen, nach dem zu dieser Zeit schon intensiv von der Polizei gefahndet wird. Er wird etwas später eintreffen, offiziell "besucht" er seine Frau. Diesmal ist Engelmann darüber informiert, daß Werno als Mitglied der Bezirksleitung kommt. Und der Gastgeber wird gleich selber eingespannt. Er erhält Reisegeld und den Auftrag, nach Emden zu fahren, bei Siemering vorbeizuschauen und Pfarr nach Norden zu bestellen. In Emden angekommen trifft Engelmann auf dem Wege zu Siemering bei den Lloydhallen eine Schwester von Bina Werno, die Frau Saathoff, und bittet sie, den Auftrag weiterzugeben. Dem konspirativ eingestellten Werno müssen die Haare zu Berge gestanden haben, als er das hört. Doch alles geht gut. Am nächsten Tag ist Pfarr in Norden, er wird von Engelmann abgeholt und zu Werno in die Wohnung gebracht.

Im Verlauf der Unterredung wird deutlich, daß Hauptkassierer Janssen dabei sein muß und Pfarr fährt zurück. Am nächsten Tag erscheinen beide in Norden. Der Grund für diese Aktivitäten ist wohl die Vorbereitung einer neuen Umschichtung der alten mit inzwischen nachgewachsenen neuen Spitzenfunktionären, denn Janssen soll seinen bisherigen Posten abgeben.

Wer aber soll ihn ersetzen? Die Wahl fällt auf den Schlosser Friedrich Loop, der seit 1928 in der Partei ist, aber schon viel früher für sie tätig wurde. Er ist zur Zeit ohne Job. Janssen sucht ihn Zuhause auf und bittet ihn um Mitarbeit in dieser Angelegenheit. Beide verabreden sich für einen der nächsten Tage bei Rolf Friederichs in der Oldersumer Straße. Dort treffen dann Pfarr, der für Loop wahrscheinlich ein Unbekannter ist, Janssen und Friederichs mit dem zukünftigen Hauptkassierer zusammen. Der Hausherr legt eine Platte auf das Grammophon und alle tun so, als ob Schach gespielt würde. Man fragt sich, wie das geht, aber bei dieser Geräuschkulisse legt Janssen seine "buchlose Buchführung" nieder und übergibt sie inklusive 30,-- Reichsmark an Loop. Damit hat der Unterbezirk schon wieder einen neuen Geldverwalter. Janssen dagegen soll künftig Verbindungsmann sein.

Auch Histermann kriegt einen anderen Posten, an seiner Stelle rückt Harm Giesen als Unterkassierer nach. Was Histermann ansonsten tut, bleibt im Dunkeln. Er arbeitet aber weiter. Die Kassiererstelle von Erich Simon in West ist ebenfalls vakant, jedoch aus anderen Gründen. Simon ist nach Nord in die neue Adolf-Hitler-Straße umgezogen.

Ins Emder Gefängnis ist übrigens ein "prominenter" Gefangener eingeliefert worden: August Wagner, nachdem er Ende Juli in Rüstringen gefaßt worden war. Ob die anderen das wissen, ist unbekannt. Wagner bleibt nur bis zum 28.9. und wird dann in das berüchtigte KZ Lichtenburg weitertransportiert. Jan Engels dagegen wird aus der "Schutzhaft" entlassen. Seine bisherige Wohnung ist mittlerweile anderweitig vergeben, so zieht er bei der Familie Staub ein, auch alten Genossen. Frau Staub hat für ihn Geld aufgehoben und davon mit seiner Zustimmung für die Zeit der Haft seine Parteibeiträge bezahlt. Mit Grund, denn Engels macht weiter.

Oktober 33

Im Oktober ist Werno schon wieder in Norden. Es scheint, als hätten alle Eile und wollten in kürzester Zeit möglichst viel auf die Beine stellen. Er hat Material dabei, ein halbes hundert von Lentze selbst angefertigte "Rote Fahne"-Zeitungen für Norden und wohl auch Emden.

Diesmal werden Nägel mit Köpfen gemacht. Pfarr, der auch wieder angereist ist, erhält den Auftrag, den Unterbezirk Oldenburg als Instrukteur zu übernehmen. Werno weiß, daß die Nazis ihm und der Organisation schon auf der Spur sind. Das gilt auch für Oldenburg, und der in Emden so erfolgreiche Pfarr soll die konspirative Arbeit dort absichern und mittlerweile bedrohte Genossen ersetzen. Für Emden stellt sich die Frage eines Ersatzmannes.

August KraakAugust Kraak Kraaks inzwischen eingeebnets Grab auf dem Bolardus-FriedhofKraaks inzwischen eingeebnetes Grab auf dem Bolardus-Friedhof

Wer Kraak ins Spiel bringt, ob Pfarr oder Werno oder vielleicht ein anderes Mitglied der zentralen Leitung, ist nicht bekannt. Radatz ist es diesmal mit hoher Sicherheit nicht. Aber nun ist dieser Name da, von dem bisher nie die Rede war, der plötzlich auftaucht und für längere Zeit die Politik der Emder Partei mitbestimmt. Mag sein, daß August Kraak - wie so viele ein Seemann und überzeugter Kommunist - erst vor kurzem von See zurückgekommen ist; mag sein, daß er, der auch später versteht, im Hintergrund die Fäden zu ziehen, einfach nicht auffiel und nur mit Pfarr und seinen engsten Mitarbeitern zusammenarbeitete: Was immer auch richtig ist, Pfarr bestimmt Kraak zu seinem Nachfolger als Leiter des Unterbezirks.

Aber da gibt es noch ein weiteres Problem, das Werno und Pfarr besprechen. Für einige der in Bremen arbeitenden Genossen wird der Boden so heiß, daß es besser ist, sie außer Landes zu bringen. Pfarr hat auch hier die Lösung.

Kurze Zeit später fahren er und Janssen als neuer Verbindungsmann nach Bremen, wo noch einmal eine Besprechung der anstehenden Aufgaben mit den Bezirksleitern stattfindet. Pfarr geht anschließend direkt nach Oldenburg, und man fragt sich unwillkürlich, ob ihm der Wechsel nach über vier Monaten in der Seehafenstadt schwergefallen ist. Er hat bestimmt neue Freunde in Emden gefunden.

Janssen dagegen, der nun in die Bremer Umstände und Anlaufstellen eingewiesen ist, fährt in Begleitung von Stephan Lowacz zurück. Lowacz ist der Genosse, dem über die Grenze geholfen werden soll.

In Emden wird der Flüchtling zunächst in der freigewordenen Behausung Pfarrs untergebracht. Dann organisiert Janssen ein Treffen in den Wallanlagen, bei dem vermutlich auch Kraak und Lowacz dabei sind. Sicher ist aber Loop gekommen, der nicht versteht - oder nicht verstehen will -, worum es geht, trotzdem doch die von Janssen geforderten 25 Reichsmark auszahlt. Loop wird sich später nur an Janssen und an zwei weitere, ihm Unbekannte erinnern, die er dort traf.

Kraak nimmt nun Lowacz unter seine Fittiche. Es ist schon Abend, eine gute Zeit. Ob nun Zufall oder nicht, auf dem Weg durch Emden treffen die zwei auf einen alten Freund Kraaks, den Matrosen Peter Kerbs. Spontan schließt dieser sich an, als er hört, daß der Kumpel an Kraaks Seite auf einem holländischen Schiff in Papenburg Heuer nehmen will. Trotz des fortgeschrittenen Tages fahren die drei in Richtung Emsland ab. Kerbs spricht später von den "eigenartigen Umständen" dieser Reise, und es ist nicht klar, welches Verkehrsmittel die drei nehmen. Aber vor Erreichen des Zieles verschwindet der Unbekannt plötzlich in Richtung holländischer Grenze. Lowacz ist zunächst in Sicherheit.

Mittlerweile war schlechtes Wetter aufgezogen und Kerbs und Kraak machen sich auf den Heimweg. Plötzlich werden sie von Polizeibeamten festgenommen - und wieder laufengelassen! Mag sein, daß die Beamten ihre Geschichte glauben oder beide sich sonstwie herausreden können, sie kommen unbeschadet wieder in Emden an.

Diese Geschichte ist der Beginn Kraaks als Leiter des Unterbezirkes und einer erneuerten Freundschaft zu Kerbs, der auch schon bald eine Rolle in Emdens KPD spielen soll.

Kraak zieht zunächst Janssen II, Loop und Kerbs als nächste Mitarbeiter heran, während er Groothuis uns Janssen I aus der Schußlinie nimmt. Loop soll entlastet werden durch einen Kurierkassierer, der, ähnlich wie Strauß für Emdens Randgebiete, im Stadtbereich eingesammelte Geldbeträge zusammenträgt und an Loop überbringt. Dazu trifft sich Kraak bei Loop mit den beiden Janssens und Jentzsch, wobei letzterem diese Stelle übertragen wird. Anstelle von Simon wird der nicht anwesende Jan Fegter als neuer Zentralkassierer West eingesetzt. Fegter weiß, worauf er sich einläßt, er war im März bereits in "Schutzhaft" gekommen und den Nazis kein Unbekannter. Er hat jedoch gleich nach der Freilassung seine RFB-Gruppe unabhängig angeleitet und wird wenig später auch Zellenkassierer. Kraak mag noch einiges andere geplant haben, um Pfarrs Arbeit in dessen Sinne erfolgreich weiterzuführen - als der überraschend Ende Oktober in Oldenburg festgenommen wird!

Zunächst ist nicht klar, ob dieser Vorgang in einer Beziehung zu Emden steht. Kraak aber ist gezwungen, zu reagieren, Pfarr weiß zuviel, wenn nicht alles über den Emder Aufbau.

Als erstes werden die bis dahin gut funktionierenden wöchentlichen Zusammenkünfte innerhalb der Stadtteile und vor allem auch im Bezirksmaßstab eingestellt. Alle notwendigen Funktionärsbesprechungen werden ab sofort unter strengsten Geheimhaltungsbedingungen durchgeführt. Offiziell wird für die Partei Janssen II als neuer Parteileiter vorangestellt, und die unbedingt notwendigen Schulungen der Genossen werden ab sofort von Frau/Mann zu Mann/Frau vorgenommen. Bis auf den unberührt bleibenden Materialumlauf wird die Parteiarbeit soweit wie möglich reduziert.

November 33

Im November ereignet sich eine merkwürdige Episode um Wilhelm Strauß. Ein Genosse, an den er sich später nicht mehr erinnern kann, fragt bei ihm nach, ob er kurzzeitig einen politischen Flüchtling aus Delmenhorst, Heinrich van Laaten, in seiner Wohnung aufnehmen könne. Strauß ist gebürtig aus Hamburg, und trotzdem er schon seit Jahren an der Ems lebt, kann es durchaus möglich sein, daß er van Laaten nicht kennt, der ein alter Emder ist. Auf jeden Fall aber lehnt er das Ansinnen ab. Mittelbar führt dieser Entschluß dazu, daß van Laaten wenig später in Delmenhorst festgenommen und anschließend zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt wird. Strauß trifft daran natürlich keine Schuld, ebensowenig wie die Emder Fluchthilfeorganisation, die eine erfolgreiche Flucht diesmal nicht in die Wege leiten konnte. Strauß aber zieht für sich selber den Schluß, mit der Parteiarbeit auszusetzen, denn er tritt weiterhin nicht mehr in Erscheinung.

Eine deutliche Verbesserung der Lage ist dagegen aus Leer zu vermelden. Der schon erwähnte Bartelt Janssen-Kruse (im Folgenden JK) wird im November aus Mangel an Beweisen aus der U-Haft entlassen. JK besitzt ein selbständig geführtes Geschäft chemisch-technischer Produkte, unter anderem stellt er eine Möbelpolitur mit Namen "Krusol" her, die in ganz Deutschland verkauft wird. Er kommt deshalb mit seinem Auto viel herum.

Sogleich nach seiner Rückkehr versucht er, die Partei in Leer wieder auf die Beine zu stellen. Dabei hat er Anfangs das Problem, als Denunziant zu gelten. Strenge hatte ihm von der erfolgreichen Arbeit der Moordorfer Organisation erzählt, und als diese gleich darauf von der Polizei in Gänze aufgerollt wurde, mußte er sich gegen den von Strenge aufgebrachten Verdacht der Verräterei wehren. Etwas später wird jedoch klar, daß JK mit den Verhaftungen nichts zutun haben konnte und Strenge mußte jeden Einzelnen aufsuchen, dem gegenüber er die Falschinformation weitergab und dementieren. Für eine neue Verbindung mit Emden ist die Zeit jedoch noch nicht reif

Dezember 33

Der letzte Monat dieses so unglücklichen Jahres bricht an. Langsam wird deutlich, daß Pfarr "dicht hält", daß der Schlag der Oldenburger Polizei keine Auswirkungen auf Kraak und seine Mitarbeiter hat. Kraak kann nun die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen Zug um Zug zurücknehmen. In diesen Tagen bezieht er auch ein neues Quartier bei einem seiner vielen Kumpels, bei Julius Gäßler.

Im Dezember wird Loop zwangsverpflichtet nach Wiesmoor. Kraak muß schon wieder einen neuen Hauptkassierer suchen, aber er wird schnell fündig. Kerbs soll die Aufgabe übernehmen. Ab jetzt soll Kerbs sich alle zwei Wochen auf eine Nachricht hin mit Verbindungsleuten, die Namen haben wie Karl, Richard, Erich oder auch schlicht Janssen, am Kriegerdenkmal, bei der gleich dabeiliegenden Auricher Brücke oder in der Kneipe "Kap Hoorn" treffen. Janssen (II) setzte seine Tätigkeit als Kurier für die Verbindung zwischen den Städten des Bezirkes fort. Konkreteres darüber aber erfährt man nicht.

Von der Gaststätte "Kap Hoorn" dagegen wird bald noch mehr zu berichten sein. Vor und nach der Machtübergabe ist das Lokal einer der Treffpunkte der Emder Partei. Der Wirt und Inhaber Friedrich Scheiwe ist selbst ein altgedienter Genosse und aktiv an der antifaschistischen Arbeit beteiligt. Es gibt auch noch etwas zu feiern im "Kap Hoorn: Seit dem 18. Dezember ist Siebold Swart aus der Haft zurück und einen Tag vor Weihnachten auch Johann Steffen ...

Ein letztes Mal ist Frau Werno in Norden. Sie versucht falsche Papiere für ihren Mann zu besorgen, nachdem sie eine entsprechende Zusage von Jann Schröder erhalten hat. Sie kommt umsonst, es liegen keine Ausweise bereit. Schröder fährt kurz darauf selbst nach Wesermünde, das nicht weit von Bremen liegt. Offiziell besucht er seine Schwester. Ob es dort zu einem zweiten Versuch der Übergabe kommt, ist nur zu vermuten. Werno jedenfalls wird nur noch etwas mehr als einen Monat in Freiheit sein.