Emder Denkmalspflege in der Vergangenheit

Vor einiger Zeit befand sich das Denkmal für den Widerstand an der Ecke des Biergartens. Inzwischen hat sich der Biergarten etwas zurückgezogen. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt und dass sich das Gedächtnis der Emder  auch auf diesen Teil ihrer Vergangenheit erweitert.

Als dieser Anblick unten noch aktuell war, schrieb ich den folgenden Artikel.

Als ich nach der Besichtigung des Konzentrationslagers Dachau vor 45 Jahren auf dem Weg zurück zum Bus zur Seite blickte, bemerkte ich oben im Elektrozaun die Reklame: "Cafe Heimatstüberl. Block 8".

Wer gedacht hatte, mit der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Hitlers durch den Rat der Stadt Emden sei eine Änderung in der Einstellung gegenüber der eigenen Vergangenheit eingetreten, der sah sich getäuscht. So ist die eine (hier abgewandte) Seite des immer noch besudelten Mahnmals für die Emder Widerstandskäpfer an warmen Herbsttagen nur von der stark erweiterten Terrasse des "Goldenen Adlers" aus zu sehen.

Inzwischen ist die Gedenkstele schon lange wieder frei von allen Seiten aus zugänglich. 

 

Wenn natürlich ein Denkmal derart die Expansion der Emder Wirtschaft (hier des "Goldenen Adlers") stört, muss schon mal über seine Verlegung dringend nachgedacht werden. Hat die Stadt evetuell dem "Goldenen Adler" die Genehmigung der Nutzung der vollen Fläche schon gestattet und ist vielleicht die Verlegung der Stele bereits beschlossene Sache?

Der Oberbürgermeister trat am 6.9.2007 jedenfalls für die Verlegung ein. Er nannte freilich einen anderen Grund.

"In diesem Zusammenhang machte Brinkmann darauf aufmerksam, dass für die Gedenkstele ein neuer Platz gefunden werden soll. Sie erinnert an die Emder Widerstandskämpfer.

Der derzeitige Standort sei unglücklich, weil das Denkmal immer wieder das Ziel von Vandalismus werde. Die Stadt müsse die Stele ständig von Schmierereien säubern. >>Wenn es Menschen gibt, die damit nicht umgehen können, müssen wir wohl einen anderen Platz finden<<." (Emder Zeitung, 7.9.2007, Seite 6).

Es gibt also Vandalismus in Emden. Herr Brinkmann schließt offensichtlich einen rechtsradikalen Hintergrund aus. Warum? Man könnte ja drauf kommen. - Im übrigen wohne ich schon seit 20 Jahren in der Nähe von Emden und kann mich nicht erinnern, dle Aufschrift auf dem Denkmal jemals nicht beschmiert gesehen zu haben. Hin und wieder gibt es das Gerücht, die Stadt habe versucht, die Stele zu reinigen. Gelungen ist das anscheinend jedoch nicht. Oder hab ich was verpasst?

Man könnte diese Posse rund um das Mahnmal auch unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Privatisierung aller Lebensbereiche, warum also nicht auch des Gedenkens, aus der Kneipe heraus, verstehen. Andererseits ist zu befürchten, dass die Stele doch recht bald verlegt werden wird. Denn das Gedenken an den Emder Widerstand am Zentrum staatlicher Macht des Dritten Reiches in der Stadt (Rathaus, Polizeiwache am Delft usw.) mit einem ewig verdreckten Gedenkstein wird von so manchen geschichtlich und politisch wenig interessierten Mitbürgern sicher nur noch als geschäftsschädigend empfunden. Und da hört der Spaß bekanntlich auf. Wer dann dazu die Worte des Oberbürgermeisters im Ohr hat, der wird wohl mit dem baldigen Abtransport des Denkmals rechnen dürfen. - Wer den Text auf der Stele lesen will, kann dies hier tun.

In den Jahren 1939-1945 brachten die von fast 40% der Emder gewählten Nazi-Ratsherren großes Unheil und Verderben über die Stadt. Alliierte Bombenflugzeuge legten das alte Rathaus in Schutt und Asche. Wenig später setzten die Alliierten den Verbrechen schließlich ein Ende. Emdens Bürger bauten das Rathaus wieder auf - als Museum. Sie deckten über ihre Vergangenheit einen Schleier von Kunst und Kultur.

Zwei Jahrzehnte später errichteten ihre Kinder ein Mahnmal für diejenigen, die in Emden Widerstand geleistet hatten - bewußt im Schatten des Ortes, von dem aus Emden 12 Jahre lang von Nazis regiert wurde und in großer Nähe zu einem anderen Tatort, der Polizeiwache am Delft. Davor war in der Pogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 auf einen jüdischen Schlachter geschossen worden. Er starb wenige Tage später im Krankenhaus. Der Täter war wahrscheinlich ein Emder SA-Obertruppführer. Von den 91 Morden im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht im gesamten Deutschen Reich wurde einer in Emden verübt.

Vor ungefähr 20 Jahren wurde auf intensives und hartnäckiges Drängen engagierter Bürger die Stele errichtet. Sie sollte an diesem Platz, in unmittelbarer Nähe zu zwei Tatorten, am damaligen Zentrum der Macht, daran erinnern, dass es in Emden nicht nur Täter und Mitläufer gab, sondern auch Menschen, die sich unter Einsatz des Lebens gegen die Verbrechen wehrten.

Wie geschichtsvergessen muss man sein, um an eine Verlegung dieses Denkmals auch nur zu denken?

Da es "Menschen gibt, die damit (mit dem Gedenken an den Widerstand) nicht umgehen können", meint der Oberbürgermeister, müssten wir einen anderen Platz finden. Sollten wir in Zeiten, in denen nationalsozialistisches Gedankengut wieder salonfähig wird, wo (jetzt ehemalige) TV-Moderatorinnen vom "Mutterkreuz" schwärmen, wirklich vor denen zurückweichen, die mit dem Gedenken an den Widerstand nicht umgehen können?

Na klar, stellen wir doch dieses (anscheinend in der Wahrnehmung der Stadtverwaltung:) "Versatzstück der Erinnerung" einfach dorthin, wo es niemanden stört und an nichts erinnert.

Es gibt in Emden eben einfach kein Gespür für den Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Anscheinend ist hier nur sehr wenigen irgend etwas noch peinlich.

Michael Skoruppa